Ich habe letztens ein neues Wort gelernt: Serendipität. Serendipität beschreibt das Phänomen zufällig gemachter, glücklicher und unerwarteter Entdeckungen. “Manchmal ist es besser, nicht zu viel zu versuchen; sondern die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen. Dabei immer bereit, sein Herz an die Serendipität zu verlieren.”,so Alan Moore, Kreativitätsguru und geschätzter Designer. Und paart man diese gelassene Neugier mit dem Glauben an das Prozesshafte, mit dem Anspruch auf eine Gültigkeit, mit der Nähe von Ernsthaftigkeit und Ironie, dann ist man bei der Arbeitsweise und bei den Arbeiten von Katja Wüstehube. Wir kennen uns schon sehr lange, seit 1991. Es steht mir also durchaus zu, hier einiges zu behaupten.
Katja Wüstehube ist solide. Hingabe und Beharrlichkeit säumen ihren Weg (die Werkreihen entstehen über Jahre hinweg). Es geht bei ihr um die Deckung, was man macht und dem, was man ist. Sie muss einfach tun, was sie für richtig hält. Das sind klare Verhaltens- und Verhandlungsformen, aber leider anstrengend. Die erste Feilenhauer Ausstellung zeigt genau diese Haltung:
Einstrichzeichnungen, Aquarelle, Berg Zeichnungen auf Papier
Objekte Spannplatten mit Stechbeitel Szenario
Malerei auf Leinwand und auf Holz: Bergbilder und zu guter Letzt/ finally Painted Popsongs
Hier habe ich mich durchgesetzt. Das ist also nicht Deine persönliche Ausstellung, sondern mehr meine persönliche Auswahl. Zu sehen ist ein breites Schaffen über Jahre hinweg. Mein Motto für diese Auswahl: Motivationsforschung im künstlerischenŒuvre. Ich fand Selbstbestimmung in Ausdruck, in Mittel und in Thema. Ich fand Verbindlichkeit, Verletzlichkeit und das Bewusstsein einer Wirkung und Konsequenz ohne Selbstverlust.
Ich fand Ehrlichkeit, Authentizität, Wesenszüge, die die Künstlerin dazu befähigen, erfrischend frei von vorgegebenen Mustern zu schaffen. Nun losgelöst ist man nie. Ein Trampelpfad ist immer da. Aber darum geht es nicht, es geht eben nicht um das unbedingte, angestrengte Anderssein, uns begegnet hier das Lebendige, das sehr Persönliche, die Freude, die Mühe, die Suche, das Illustrative, das Zaghafte, gross und klein, laut und bescheiden, albern und sehr bei sich, eine Frau, eine Närrin, eine Kämpferin, eine Verliebte, ein Mädchen.
Eine Ausstellung ist ein modernes kulturelles Ritual. Katja Wüstehubes Innovation ist eine assoziative. Diese Assoziationen; die werden ein zweites mal gedacht; so eine Art Assoziationszwieback an dem wir hier rumknabbern, am Ende kommt man nicht zurück an den Anfang. Es entsteht etwas Neues, das kreative Prinzip kennen wir alle aus der Kindheit, Stille Post.
Kuratorstar Hans Ulrich Obrist: “Der eigentliche Grundgedanke einer Ausstellung ist, dass wir miteinander in einer Welt leben, in der es möglich ist, Verbindungen zu knüpfen und künstlerische Gesten zu setzen und damit zu sprechen. Durch das Werk, miteinander.”Die künstlerischen Gesten der Katja Wüstehube zum Beispiel: Die Einstrichzeichnungen. Für die Künstlerin ein ungemein mutiger Griff zum Stift. Bei Klee ist die Linie der Gedanke. Hier weg von der verkopften Konzeptart, zu einer zwar weiterhin spielerischen, fast dekorativen Handschrift, aber mit sehr begrenzten Mitteln. Schwarz auf weiss. Stift und Papier. Zeichnen ist sehr konkret, obendrein mit dem einen, ununterbrochen Zug. Typisch! Wenn, dann richtig. Allerdings haben sie lange warten müssen. Hier werden die Einstrichzeichnungen erstmals gezeigt. Und die Painted Popsongs: Katja Wüstehube versteht sich als Pop-Art-Künstlerin und beruft sich auf Robert Rauschenbergs Verständnis, dass ein Kunstwerk wirklicher sei, wenn es aus Teilen der wirklichen Welt gemacht ist. Wirklicher: ein unmöglicher Komparativ? Diese Teile aus der wirklichen Welt sind Signets, Bruchstücke davon, Beipackzettel, Harissatuben, verfremdet, und die nächste Komponente sind lesbare Songs/ sichtbare Ohrwürmer. Da sieht sie was und es bleibt hängen; hört sie was und es bleibt hängen.Da ist die frühere Konzeptart wieder mit im Spiel; aus dem Wort wird ein Wortspiel. Und Wüstehube ist die, die mit dem Wort spielt. Das ist ihr roter Faden. Wörter können einfach nur schön aussehen, bezaubernd klingen, aber auch Ekel Auslösen, Angst machen. Wörter auf Leinwand sind sehr wahrhaftig.
Bild und Sprache zusammenzwingen. Der anfangs assoziativen, frechen Leichtigkeit folgt ein sehr akribischer Arbeitsprozess.Meditativ und anachronistisch in seiner Reproduktion. Vier Schichten sind es manchmal für die Sattheit der Farben und eine überzeugende Textur der Oberfläche.Das ist Kalligraphie in Zeiten der Popmusik.